Lieben und lieben lassen

Eine «Verliebt in Inverness» Kurzgeschichte

Freunde sind wie Wein – je älter, desto besser. Doch was geschieht, wenn man sich in diesen Freund verliebt?

Eleanor ist während ihrer Schulzeit nicht nur mit Darren befreundet, sondern auch in ihn verliebt. Aus Angst, dass sie damit ihre Freundschaft gefährden könnte, hält sie es jedoch vor ihm geheim. Die Jahre vergehen und sie verlieren sich trotz geschworener ewiger Freundschaft nach und nach aus den Augen.

Zwanzig Jahre nach ihrem Schulabschluss laufen sich die beiden bei einer Weinverkostung zufällig über den Weg. Die Freude des Wiedersehens hält jedoch nur kurz an. Denn als Darren vorschlägt, sich zu treffen, reagiert Eleanor eher zurückhaltend.

Fürchtet sie sich etwa davor, dass ihre alten Gefühle für Darren erneut aufflammen könnten? Oder gibt es für ihre Zurückhaltung einen völlig anderen Grund?

Werde zu einem VIP-Mitglied und erfahre, was hinter Eleanors Hadern steckt und ob aus ihr und Darren doch noch mehr als nur Freundschaft wird.

Kapitel 1

„Danke, dass du mir den Prozess noch einmal erklärt hast. Beim ersten Mal war ich zu blöd, um es zu begreifen“, sagte Hailey. „Hoffentlich sind wir deswegen nicht zu spät dran.“

„Nein, es hat noch nicht angefangen“, entgegnete Eleanor mit einem prüfenden Blick auf die Armbanduhr. „Sei nicht so streng mit dir. Es ist ein sehr komplexer Prozess. Das braucht Zeit. Du wirst sehen, in ein paar Wochen wirst du den Ablauf einwandfrei beherrschen.“

„Hoffentlich, bevor ich mein erstes Mandat erhalte.“

„Darüber brauchst du dir jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen. Eines nach dem anderen.“ Sie waren vor dem Eingang des Weingeschäfts WoodWinters stehen geblieben. Eleanor hielt für Hailey die Türe auf. „Zuerst genießen wir die Weinverkostung.“

Sie betraten das Geschäft. Alle Mitarbeiter, die an der Verkostung teilnahmen, hatten sich bereits versammelt und plauderten munter in Grüppchen. Jemand tippte an Eleanors Schulter. Es war Wallace.

„Wer ist denn deine charmante Begleitung, Eleanor?“, fragte er.

„Das ist Hailey. Sie hat vorletzten Montag bei uns angefangen.“

„Es freut mich, dich kennenzulernen, Hailey.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Nenn mich Wallace. Wir haben uns knapp verpasst. Ich war die letzten zwei Wochen im Urlaub.“

„Die Weinverkostung konntest du dir aber trotzdem nicht entgehen lassen“, meinte Eleanor schnippisch.

„Natürlich nicht.“ Er grinste. Dann wandte er sich wieder Hailey zu. „Na? Hast du dich bisher gut bei uns eingelebt? Behandelt dich Eleanor anständig?“

„Ja, ich fühle mich wohl und ich arbeite sehr gerne mit ihr zusammen.“

„Würdest du das auch sagen, wenn sie nicht zuhört?“

„Schon gut, ich habe den Wink verstanden“, schnaubte Eleanor. „Ich lasse euch mal alleine. Ich wollte mich sowieso noch kurz umsehen, bevor es losgeht.“ Dann verließ sie die beiden und drehte eine Runde.

Gleichmäßig im Raum waren Holzfässer verteilt, auf welche runde Holzplatten gelegt waren. Dadurch konnten sie als Bartische verwendet werden. An den Wänden standen hohe Regale, die brechend voll mit Weinflaschen gefüllt waren. Bis auf die Flaschen schien alles andere in diesem Geschäft aus Holz zu sein, von der Decke bis zum Boden. Sogar die Luft roch nach Holz, gemischt mit einem Hauch Wein. Eine bessere Duftkombination als diese gab es nicht für ein Weingeschäft. Da lag jedoch noch ein weiterer Duft in der Luft. Er kam Eleanor vertraut vor und doch konnte sie ihn nicht zuordnen.

„Meine Güte, ich glaub, mich tritt ein Pferd! Bist du das, Eleanor?“, sagte eine Männerstimme hinter ihr. Sie kam ihr bekannt vor. Doch im Gegensatz zum Duft konnte sie sie einer bestimmten Person zuweisen. Es war eine Stimme, die sie seit langer Zeit nicht mehr gehört hatte. Und nun wusste sie auch, woher sie den Duft kannte, denn er und die Stimme gehörten zusammen.

„Darren?“ Sie drehte sich um. Ihre Haut kribbelte, als sie ihn sah. Wie bei ihr war auch an ihm das Alter nicht spurlos vorbeigezogen. Er hatte graue Haare und seine Lachfalten waren um ein paar zusätzliche Falten erweitert worden. Trotzdem war es ohne Zweifel er. „Was machst du denn hier?“ Das letzte Wort sagte sie einen Hauch zu schrill. Sie ärgerte sich darüber. Dennoch wollte sie nicht verleugnen, dass sie sich freute, ihn wiederzusehen.

„Ich arbeite hier.“ Er schenkte ihr ein Lächeln, dass sie auch heute noch unter Tausenden erkannt hätte.

„Sag jetzt nicht, dass du der Sommelier bei unserer Weinverkostung bist.“

„Doch das bin ich. Dann gehörst du also zu dieser Gruppe.“ Er deutete auf die anderen. „Ich wusste gar nicht, dass du in Inverness lebst. Wieso hast du mir das nie erzählt?“

„Das Gleiche könnte ich dich fragen.“

„Wir haben uns in letzter Zeit wohl ein bisschen aus den Augen verloren.“

„In letzter Zeit? Das müssen mindestens zwanzig Jahre sein!“

„Dann haben wir einiges nachzuholen.“ Er blickte auf seine Armbanduhr und erschrak. „Oje, es wird höchste Zeit, dass wir mit der Verkostung beginnen!“

Mit diesen Worten klatschte er in die Hände und zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Dies kam Eleanor gerade gelegen, denn dadurch fiel es nicht weiter auf, dass sie ihn permanent anstarrte.

Bisher hatte sie nicht daran geglaubt, dass jemand, der während seiner Schulzeit bereits wahnsinnig gut aussah, über die Jahre noch attraktiver werden konnte. Doch der Beweis stand direkt vor ihr. Und wie damals schon schaffte es Darren auch heute wieder, ihr Herz zum Rasen zu bringen.

Fertig! Reiß dich zusammen, Eleanor!, befahl sie sich selbst und konzentrierte sich wieder auf Darrens Rede.

Nach einer unterhaltsamen Begrüßung und Einführung begann die eigentliche Verkostung. In den nächsten neunzig Minuten präsentierte Darren ihnen die beste Auslese aus dem Sortiment. Passend dazu wurden verschiedene Käsesorten, getrocknete Früchte und Nüsse serviert. Die munteren Gespräche wurden hin und wieder durch das Ploppen eines Korkens unterbrochen, wenn eine neue Flasche geöffnet wurde.

Eleanor bemerkte, wie sich Darren auffällig oft in ihrer Nähe aufhielt. Er schaffte es jedoch nie, sich mit ihr zu unterhalten, denn einige von Eleanors Mitarbeiter verwickelten ihn immer wieder in ein Gespräch.

Zuerst war sie darüber enttäuscht, denn sie hätte sich gerne mit ihm unterhalten. Immerhin hatte sie ihre Schulzeit nur dank ihm so gut überstanden. Dann erinnerte sie sich jedoch auch wieder an das Gefühlschaos, welches sie damals seinetwegen gehabt hatte. Das musste sie nicht noch einmal haben. Es war also besser so, wenn sie sich nicht unterhielten.

Sie konzentrierte sich auf das Weinglas in ihrer Hand. Sie schwenkte es sanft, um das Aroma zu entfalten. Die würzige Duftnote, die sich aus dem Innern erhob, wie auch die kühle und glatte Oberfläche des Glases brachte sie auf andere Gedanken. Sie nahm einen Schluck. Harris hätte diesen Wein gemocht.

Bitterkeit machte sich in ihr breit, was jedoch nicht am Wein lag. Wieso musste sie ausgerechnet jetzt an ihn denken? Der Schmerz erweckte in ihr den Wunsch, sofort davonzurennen. Doch das konnte sie nicht tun, nicht vor all ihren Arbeitskollegen. Sonst würde sie morgen bei der Arbeit zum Gesprächsthema Nummer eins werden. Da war sie sich sicher.

Zum Glück war die Verkostung kurz darauf beendet und ein Teilnehmer nach dem anderen verließ das Weingeschäft, bis sie nur noch zu viert waren. Eleanor hätte sich als Erste aus dem Staub gemacht, hätte sie sich nicht mit Hailey und Wallace auf ein anschließendes Abendessen verabredet. Und da Wallace noch einen Wein kaufte, blieb ihr nichts anderes übrig, als geduldig zuzusehen, wie Darren die Flasche einpackte.

„Schade, dass wir vorhin nicht richtig plaudern konnten“, meinte er.

„Ihr beiden kennt euch?“, mischte sich Wallace ein. Hailey, deren Blick soeben noch auf ihr Mobiltelefon fixiert gewesen war, blickte interessiert hoch.

„Ja, wir waren in der gleichen Klasse“, sagte Eleanor.

„Jetzt bin ich aber beleidigt!“, meinte Darren. „Wir waren nicht nur Klassenkollegen, sondern auch beste Freunde. Hast du dieses Detail etwa vergessen?“

„Nein natürlich nicht.“

Ich hielt es bloß nicht für erwähnenswert.

„Was hältst du davon, wenn wir uns bei Gelegenheit an einem gemütlichen Ort treffen, um über vergangene Zeiten zu plaudern?“

Das ist eine schlechte Idee.

Sie erinnerte sich an das Gefühlschaos, das er in ihr damals ausgelöst hatte.

Eine ganz schlechte Idee.

„Das klingt fabelhaft!“, log sie. „Dann melde ich mich also bei dir.“

Oder auch nicht.

Sie wollte sich bereits zum Gehen wenden, als er hinter dem Tresen hervorkam.

„Moment, ich habe eine neue Mobilnummer. Ich schreibe sie dir gleich auf.“ Er griff in sein Jackett, aus der er einen Kugelschreiber und eine Visitenkarte zückte. Auf der Vorderseite war das Logo von WoodWinters zu sehen. Als er die Nummer auf der Rückseite notiert hatte, streckte er ihr die Karte hin. „Voilà.“

„Danke.“ Eleanor, die davon alles andere als begeistert war, nahm die Karte entgegen, als ob diese brannte.

„Wie verbringst du den restlichen Abend?“

„Wir gehen zu dritt im Rocpool essen.“ Während sie dies sagte, deutete sie auf sich, Hailey und Wallace.

„Oh, da werde ich gleich neidisch. Das Essen dort ist fabelhaft.“

„Möchtest du mitkommen?“, mischte sich Wallace ein.

Wenn es nicht zu auffällig gewesen wäre, hätte sie ihm dafür am liebsten einen Tritt verpasst.

Bitte sag Nein!

„Das ist sehr nett, aber ich muss hier noch aufräumen. Danach bin ich froh, wenn ich auf direktem Weg nach Hause kann. Ich wünsche euch aber einen guten Appetit.“

Kaum hatte er ihnen den Rücken zugekehrt, legte Eleanor die Visitenkarte unauffällig auf den Bartisch neben ihr.

Auf keinen Fall nehme ich die mit!

„Lasst uns gehen, nicht dass wir uns noch verspäten“, meinte sie schließlich und lief den anderen beiden voraus, ohne einen Blick auf Darren zurückzuwerfen. Es war besser so.

 

LESEPROBE ENDE

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