Das Geheimnis des Qilin

Ein Pferdekrimi für Kinder

Wie weit würdest du gehen, um eine seltene Pferderasse zu retten?

Grace ist eine 13-jährige Irin, die Pferde über alles liebt und sich brennend für Japan interessiert. Als sie einen Sprachaufenthalt in Japan gewinnt, geht für sie ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Vor Ort lernt sie nicht nur neue Freunde kennen, sondern sieht zum ersten Mal auch die mystischen Pferde einer seltenen Rasse. Doch bald geht es Schlag auf Schlag und Grace muss es mit bösen Pferdehändlern aufnehmen, die es auf diese seltenen Pferde abgesehen haben. Wird es ihr gelingen, die Pferde vor den Klauen dieser Schurken zu schützen? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Qilin auf sich?

Das Geheimnis des Qilin ist das Erstlingswerk von Evi Aeschlimann und erzählt eine Geschichte über Freundschaft, Mut und den Willen, sich gegen Ungerechtigkeit durchzusetzen. Wenn du Pferde liebst und einen Einblick in die japanische Kultur erhalten willst, dann ist dieses Buch genau das richtige für dich. Schnapp es dir noch heute und begleite Grace ins Abenteuer!

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Kapitel 1

Schon den ganzen Abend überflog Grace verträumt immer wieder die viertletzte Seite der aktuellen Ausgabe ihres Lieblingspferdemagazins Eowyn. Auf dieser war ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem als Hauptpreis ein dreiwöchiger Sprachaufenthalt in Japan winkte.

Grace, die bisher noch nie in Japan gewesen war, wollte unter allen Umständen gewinnen. Ihr Interesse für dieses Land begann mit einem japanischen Comic, den sie im Alter von acht Jahren zum ersten Mal las. Die Geschichte handelte von einer Schülerin, die auserwählt wurde, um für Liebe und Gerechtigkeit zu kämpfen.

Grace war so begeistert von der Kriegerin, dass sie nicht nur den Comic fleißig weiterverfolgte, sondern auch anfing, in diesem Stil zu zeichnen. Außerdem fing sie an, sich allgemein für Japan und dessen Sprache zu interessieren.

Doch so sehr sie sich auch Comics und das Zeichnen mochte, den größten Teil ihrer Freizeit widmete sie den Pferden. Als sie mit sechs Jahren zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes gesessen hatte, entdeckte sie ihre Leidenschaft für diese eleganten Tiere. Seither besuchte sie regelmäßig den Reithof in der Nähe ihres Wohnortes. Ihr Lieblingspferd war ein Friese namens Asfaloth. Er war zwar ein sehr grosses Pferd, aber Grace genoss es, mit ihm durch die Natur zu traben und dabei ihre alltäglichen Sorgen hinter sich zu lassen.

Ihr Kopfkino, in dem sie mit Asfaloth einen abenteuerlichen Ausritt durch den Wald machte, fand ein jähes Ende, als sie auf die Uhr blickte. Erschrocken stellte sie fest, dass es bereits nach 21 Uhr war. Laut Magazin sollte die Gewinnerin oder der Gewinner heute Abend informiert werden, aber bisher hatte sie noch keine Benachrichtigung erhalten.

„Grace, es ist Zeit zum Schlafen“, sagte ihre Mutter schlussendlich.

„Mum, ich kann noch nicht. Was ist, wenn sie versuchen, mich zu erreichen und ich bereits im Bett bin?“

„Oh Schatz, ich glaube nicht, dass sie sich um diese Uhrzeit noch melden. Du musst akzeptieren, dass jemand anderes gewonnen hat.“

„Aber ich habe es mir doch so sehr gewünscht“, sagte Grace frustriert. „Wieso habe ich nie Glück?“

„Man kriegt nicht immer alles, was man sich im Leben wünscht. So ist das Leben nun mal. Aber nur weil du beim Wettbewerb nicht gewonnen hast, bedeutet das noch lange nicht, dass du nie nach Japan reisen kannst. Kopf hoch, eines Tages hast du ganz bestimmt die Möglichkeit, Japan zu besuchen“, tröstete ihre Mutter sie.

„Aber ich mag nicht so lange warten!“, schmollte sie und schlurfte niedergeschlagen ins Badezimmer. Natürlich sah sie ein, dass ihre Mutter recht hatte. Trotzdem konnte sie ihre Enttäuschung nicht einfach so per Knopfdruck ausschalten.

Während sie ihre Zähne putzte, betrachtete sie sich im Spiegel. Ihr Gesicht war bereits jetzt schon mit Sommersprossen übersät. Sie wollte es sich gar nicht ausmalen, wie sie erst im Sommer aussehen würde. Ihre lockigen, roten Haaren wiederum streckten sich in alle Himmelsrichtungen. Grace hatte schon vor langer Zeit den Versuch aufgegeben, ihre Haare zu bändigen.

Sie seufzte. Wie oft sie doch schon von anderen Schülern wegen ihren roten Haaren gehänselt wurde. Zum Glück hatte sie ihre beste Freundin Saoirse, die ihr zur Seite stand und immer eine schlagfertige Antwort auf die dummen Sprüche der anderen auf Lager hatte. Grace wusste nicht, was sie ohne Saoirse machen würde. Die Schule würde ihr vermutlich nicht halb so viel Spaß machen.

Enttäuscht, dass sie nicht gewonnen hatte, lag sie in dieser Nacht noch lange wach im Bett, sodass sie am nächsten Morgen Schwierigkeiten hatte aufzustehen. Sie war viel zu müde und wäre am liebsten den ganzen Morgen im Bett liegen geblieben. Kurz nach 7 Uhr kam ihre Mutter ins Zimmer und zerrte sie aus den Federn. Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, verschlang sie wie gewohnt ihre Cornflakes und machte sich anschließend, da sie zeitlich sehr knapp dran war, eilig auf den Weg zur Schule.

Im Klassenzimmer hatte sie gerade noch Zeit, sich hinzusetzen und ihre Schulbücher auszupacken, als schon ihre Klassenlehrerin Ms. O’Sullivan das Zimmer betrat und mit dem Unterricht begann. Grace konnte sich während der ganzen Schulstunde nicht konzentrieren. Gedanklich war sie immer noch beim Wettbewerb. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass sie nicht gewonnen hatte. Dabei hatte sie es doch so sehr gehofft. Doch nun konnte sich jemand anderes auf einen Sprachaufenthalt in Japan freuen. Sie war neidisch auf diese Person, sah dann jedoch ein, dass dies nichts brachte. Also dachte sie an all die Dinge, auf die sie hätte verzichten müssen, wenn sie gewonnen hätte. Zum Beispiel hätte sie sowohl Asfaloth als auch Saoirse drei Wochen lang nicht gesehen. Diese Tatsache tröstete sie zwar bloß ein bisschen, aber immerhin genug, um sich wieder besser auf den Unterricht konzentrieren zu können.

Der Tag verlief ganz normal. In der letzten Unterrichtsstunde am Nachmittag konnte sich jeder Schüler auf jenes Schulfach konzentrieren, das ihm am meisten Mühe bereitete. Als Grace in einer Aufgabe vertieft war, konnte sie hören, wie jemand ihren Namen flüsterte. Es war Saoirse, die eine Reihe hinter ihr sass. Sie streckte ihr unauffällig ein zerknülltes Papierkügelchen entgegen. Nachdem Grace sich versichert hatte, dass Mrs. O’Sullivan in ihren schnulzigen Liebesroman vertieft war, griff sie danach und öffnete es vorsichtig. In der eleganten Handschrift von Saoirse stand:

Treffen wir uns nach dem Unterricht beim Eyre Square? Treffpunkt wie gewohnt.

Grace drehte sich vorsichtig nach hinten zu Saoirse und gab ihr mit einem Daumen nach oben das Zeichen, dass sie einverstanden war. Sie konnte es kaum abwarten, bis der Unterricht vorbei war. Dann könnte sie Saoirse endlich davon erzählen, dass sie den Wettbewerb nicht gewonnen hätte. Saoirse würde sie trösten, da war sich Grace ganz sicher.

Als die Schulglocke klingelte, griff sie nach ihren Schulbüchern und verstaute diese in ihrer Tasche. Beim Verlassen des Raumes hörte sie, wie Mrs. O’Sullivan Saoirse zu sich rief. Bestimmt wollte sie ihr wieder einmal zu einer gelungenen Prüfung gratulieren. Saoirse war sehr schlau und sie machte immer gute Noten. Besonders in Mathematik war sie begabt. Es gab keine Rechenaufgabe, die sie nicht lösen konnte. Grace dagegen war sehr schwach in Mathematik. Mit Saoirses Hilfe schaffte sie es überhaupt, dieses Fach zu bestehen. Grace dachte daran, wie es wohl wäre, wenn Reiten oder Comics zeichnen ein Schulfach wäre. Dort hätte sie bestimmt mit Abstand die besten Noten und alle aus ihrer Klasse würden sie bewundern. Bei diesem Gedanken musste sie lächeln.

***

Von ihrer Schule zum Eyre Square war es nur ein Katzensprung. Gute sieben Minuten benötigte sie. Wenn sie etwas schneller lief, waren es sogar nur fünf. Meistens lief sie jedoch gemütlich durch die Straßen und Gassen.

Besonders gerne spazierte sie durch die Shop Street, die direkt zum Eyre Square führte. Diese Straße war, wie es ihr Name bereits vermuten ließ, unter anderem für ihre Shops bekannt, vor allem aber für die unterschiedlich farbigen Fassaden, welche der Straße ihren eigenen Charme verlieh. Sie war zwar immer mit Menschen vollgestopft, aber Grace mochte die Straßenkünstler, die dort ihre Fähigkeiten zum besten gaben. Darunter befanden sich nicht nur Gitarristen oder Geigenspieler, sondern auch verrückte Straßengaukler, die unter anderem auf einem Einrad fuhren und gleichzeitig mit Fackeln jonglierten.

Kurz darauf erreichte Grace den Eyre Square, wo sie sich auf eine Parkbank setzte und das Geschehen um sich beobachtete. Der Eyre Square war ein beliebter Treffpunkt und daher war es auch nicht verwunderlich, dass sich viele ihrer Klassenkollegen nach dem Unterricht hier aufhielten. Kindergelächter ließ Grace’ Aufmerksamkeit zum oberen Teil des Parks wandern, wo Kinder im Brunnen spielten und um dessen Skulptur rannten.

Als sie noch ein kleines Kind war, planschte sie ebenfalls gerne in diesem Brunnen. Ihr Vater war früher an den Wochenenden oft mit ihr hierhergekommen. Damals hatte er ihr erklärt, dass die Skulptur des Brunnens die Segel eines Galway Hookers, einem traditionellen Segelschiff, darstellte. Damals dachte sie, dass die Segel der Boote ebenfalls aus Metall waren und fragte sich deshalb immer, wie der Mast diese schweren Segel tragen konnte. Es musste Magie sein, war ihre logische Schlussfolgerung. Heute konnte sie darüber nur noch schmunzeln.

„Hey Grace, alles klar bei dir?“, sagte eine vertraute Stimme und riss sie zurück in die Gegenwart. Sie blickte in die Richtung, von wo die Stimme herkam. Es war Saoirse, die sich neben ihr auf die Parkbank gesetzt hatte.

„Hey Saoirse. Na ja, geht so“, seufzte sie. „Ich habe beim Wettbewerb leider nicht gewonnen.“

„Das habe ich mir gedacht! Den ganzen Tag schon wirkst du nieder-geschlagen.“

„Ich war so naiv und konnte mir nicht vorstellen, dass noch jemand anderes die richtige Antwort der Wettbewerbsfrage kannte“, jammerte Grace.

„Schwierig ist es ja nicht. Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, um die Lösung herauszufinden“, erwiderte Saoirse. „Beispielsweise findest du im Internet praktisch auf alles eine Antwort. Und dann gibt es noch Menschen, welche die Lösung von anderen Personen erfahren.“

„Kannst du mir bitte einmal verraten, wer so blöd ist und bei einem solchen Wettbewerb anderen die Lösung preisgibt?“

„Na ja, um ehrlich zu sein du, Grace“, entgegnete Saoirse. „Du hast mir doch immer wieder erzählt, was das Lösungswort ist!“

„Heißt das, dass du auch am Wettbewerb teilgenommen hast?“, fragte Grace und als Saoirse nickte, spürte sie plötzlich einen dicken Kloß im Hals. „Sag jetzt nicht, dass du gewonnen hast!“

„Doch habe ich“, entgegnete diese. „Eigentlich wollte ich, dass du es auf eine andere Weise erfährst, aber ja, ich habe gewonnen.“

Grace konnte es nicht glauben. Sie hätte nicht gedacht, dass Saoirse, ihre beste Freundin, ihr so etwas antun würde, wo sie doch wusste, dass der Wettbewerb Grace so viel bedeutete. Obwohl sich Grace mit ihr hätte freuen müssen, wurde sie wütend auf Saoirse, die in allem, was sie tat, immer gut war oder Glück hatte. Nun war es Saoirse, die nach Japan gehen konnte.

„Ausgerechnet du, Saoirse! Wieso hast du daran teilgenommen? Du wusstest doch ganz genau, dass ich unbedingt gewinnen wollte!“

Grace war klar, dass auch Saoirse das Recht hatte, am Wettbewerb teilzunehmen. Trotzdem fühlte es sich wie ein Verrat an.

„Jetzt flipp bloß nicht aus“, entgegnete Saoirse. „Ich hätte ja nie im Leben damit gerechnet, dass gerade ich gewinnen würde!“

„Aber du hast gewonnen und kannst nun für drei Wochen nach Japan. Ich beneide dich! Und gleichzeitig bin ich auch wütend auf dich!“

„Grace, du bist meine beste Freundin. Seit Wochen redest du nur noch von diesem Wettbewerb. Ich habe doch nicht daran teilgenommen, um dir den Hauptpreis wegzuschnappen. Natürlich träume ich auch von einem Aufenthalt in Japan, aber nicht auf diese Art. Ich habe am Wettbewerb teilgenommen, um deine Gewinnchancen zu erhöhen.“

„Wirklich?“, sagte Grace stutzig.

„Ja, wirklich“, entgegnete Saoirse und begann zu lächeln. „Herzliche Gratulation, Grace. Du fliegst in diesen Sommerferien nach Japan!“

„Ist hier irgendwo eine versteckte Kamera?“, scherzte Grace.

„Haha, nein. Es ist mein voller Ernst!“

Dann stürzte sich Grace überglücklich auf ihre beste Freundin und umarmte sie.

„Oh, Saoirse ist das wirklich wahr? Vielen, vielen Dank! Es tut mir leid, dass ich vorhin wütend auf dich war. Ich hoffe, du bist mir nicht böse.“

„Ach was, ich habe damit gerechnet, dass du vielleicht ausflippst“, gestand Saoirse.

Grace konnte also nach Japan. Sie konnte es kaum glauben und schwelgte im Glück. Doch bis zu den Sommerferien dauerte es noch einige Wochen. Diese Zeit wollte sie nutzen, um mit Asfaloth so oft wie möglich ausreiten zu gehen. Auch mit Saoirse wollte sie noch möglichst viel Zeit verbringen, denn Grace war klar, dass ihr Saoirse am meisten fehlen wird.

 

LESEPROBE ENDE

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